Meine Familie übt das schon jahrelang erfolgreich aus: die Erwartungen niedrig halten, dann kann man nur positiv überrascht werden. Unsere Tour an der Elbe hat aber eigentlich größtenteils das eingehalten, was wir uns vorgestellt haben: das Wetter ist super, die Landschaft schön aber übersichtlich, den Service muss man manchmal so wie im Baumarkt suchen, aber im Endeffekt sind wir von einigem Schönem und Leckerem überrascht worden.
Vom Wetter hatten wir uns aber ganz schön viel versprochen und wurden nicht enttäuscht, sommerlicher Frühling ist ausgebrochen, zumindest kurzfristig bis es Nachts wieder Frost gibt und der Winter wieder vorbeischaut. Tja, Übergangsjacken braucht man nicht mehr wegen des Klimawandels, es ist entweder Sommer oder Winter. Wer den Umstand noch etwas in die Länge ziehen möchte, kann es mit Radfahren versuchen. Das tun wir und fahren auf dem Elberadweg von Burg bei Magdeburg (nicht zu verwechseln mit dem Burg im Spreewald) ins schmucke Tangermünde in Sachsen-Anhalts Altmark Region. Damit die erste Etappe nicht ganz so weit ist für unsere noch dünnen, ungeübten Beinchen fahren wir die Tour nicht von Magdeburg aus, sondern von Burg, hier wie dort fährt der RE1 von/nach Berlin hin.
Dann gehts ein bisschen quer auf einem Zubringer zum Elberadweg auf einer wenig befahrenen Straße ohne große Highlights. Wir empfehlen, sich vorher zu informieren ob es Umleitungen wegen Bauarbeiten an den Deichen gibt und ob die Fähren auch fahren, die man nehmen möchte. Unsere Fähre in Rogätz fuhr zum Glück, wir mussten nur 20 Minuten warten, bis der Fährmann nach seiner Mittagspause uns mitsamt der Räder mit sachsen-anhaltischem Humor wie zum Nachtisch aufnahm und am anderen Ufer wieder auslud. Fun Fact: mit auf der Fähre waren NATO Fahrzeuge mit niederländischen Soldaten, die laut lokaler Radiomeldung Flussüberquerungen übten, weil, wie wir alle wissen, es in den Niederlanden wenig Flüsse gibt… Scherz beiseite, wie wir später recherchierten und erfuhren trainierte in der Operation Bastion Lion 2025 hier aktuell die 13. Lichte Brigade des niederländischen Heers die Verteidigung der Nato-Ostflanke gegen Russland an der Elbe bei Storkau, unweit von Tangermünde. Gar nicht mehr so lustig.
In Rogätz gibt es sogar noch einen der wenigen Bäcker! Schade, dass so viele Gasthäuser schließen müssen oder nur am Wochenende geöffnet sind in Ost- aber auch ganz Deutschland. Wir müssen aber zugeben, wir sind auch unter Woche in der Vorsaison unterwegs. Uns geht das Dilemma durch den Kopf, dass viele Menschen einfach wenig Geld haben, Lebensmittel immer teurer werden und der Fachkräftemangel zunimmt. Das können wir aber auch nicht lösen und sind stattdessen ganz hingerissen von den umwerfend schönen blühenden Bäumen an der Strecke. Die Alte Elbe von Wiesental bis Bertingen ist wirklich toll! Der Höhepunkt für uns ist ein Blütenmeer auf einem Bolzplatz in Bertingen. Unter einem wahnsinnig schönen blühenden Baum hören wir den hunderten Bienen beim Summen zu. In Kehnert genießen wir einen schönen, steilen Blick hinab zur Elbe.
Die Strecke zwischen Kehnert und Sandfurth ist recht langweilig – immer an der Straße entlang. Immerhin gibt es viele Obstbäume und riesige Brombeerhecken, wir bekommen einen Speichelsturz und notieren die Stellen für den kommenden Herbst in den Tangermünder Notizen. Plötzlich ist Aufruhr und Radau in der Vogelwelt, es kommen uns Radfahrer entgegen, Bäume stehen kreuz und quer, die Fahrbahn wird schlechter und schlechter, die Situation wird brenzlig, was passiert hier? Nichts, gar nichts, wir haben vollkommen unnötigerweise dramatisiert. Aber das Stück vor Bittkau war tatsächlich irgendwie ganz hübsch.
Bevor wir schon wieder etwas auszusetzen haben, kommt auch schon die Fähre Ferchland-Grieben und bringt uns hinüber zur rechten Elbseite wo uns das Kloster Jericho in etwa 13 Kilometer Entfernung erwartet, wie wir ihm unterstellen. In Ferchland können wir euch die Landfleischerei Ferchland von Carsten Pietrzak empfehlen, wenn ihr euch nicht vegetarisch oder vegan ernährt. Das nächste Highlight ist die „ausgewiesen fahrradfreundliche“ Milchtankstelle Heringa in Klietznick. Wir finden das gut, dass man an Radfahrer denkt und ihnen ein besonderes, gutes Angebot macht, das einfach wahrzunehmen ist.
Kurz nach Klietznick finden wir eine idyllische Stelle direkt am Ufer der Alten Elbe (genau hier), und verputzen genüsslich die leckere Bulette der Metzgerei.
Ein kulinarisches Angebot jagt das nächste und das vom Restaurant Wirtshaus Klostermahl am Kloster Jericho nehmen wir ebenfalls gerne an und Kaffee und leckeren Käsekuchen zu uns. Wir sind dort auch sehr nett bedient worden! Nur weshalb die Terrasse quasi direkt neben der stark befahrenen Straße liegt anstelle des Parkplatzes in Richtung Klosteranlage erschließt sich uns nicht so ganz. Wir sind jedenfalls beeindruckt von der klaren und aufs Wesentliche reduzierten Architektur des Klosters aus dem 12. Jahrhundert.
Auf den letzten 13 km Richtung Tangermünde fahren wir nun neben der Elbe her (oder Seitenarmen / kleinen Seen?) auf einem Deich und freuen uns über die schöne Elblandschaft, die Sonne und den guten Radweg.
Kurz vor Tangermünde muss man die Elbe überqueren auf der imposanten, 27-Millionen-Euro Elbebrücke Tangermünde. Das ist schön, so hoch über der Flusslandschaft zu sein, aber es ist auch laut und trotz Leitplanke anstrengend direkt neben der Fahrbahn einer Bundesstraße zu fahren.
Uns tut nach über 60 km nun so langsam alles weh und wir haben Hunger und müssen noch einkaufen, so dass wir die charmante Altstadt in Tangermünde erst mal gar nicht angemessen zu schätzen wissen. Wir kommen in der schönen Ferienwohnung am alten Markt direkt gegenüber des historischen Rathauses an, würdigen es ignoranterweise kaum eines Blickes, verpassen auch die imposante Storchennester auf dem Rathausgiebel, und fallen nach dem Kochen und einem Bierchen erschöpft ins Bett.
Von Burg (bei Magdeburg) nach Tangermünde | ca. 62 km | GPX-Download
Comments (0)